Sieg oder Niederlage?

Die Kirchenuhr erklärt den Tag gerade für erledigt. Heimelig schwebt der Glockenklang über die Handvoll Häuser im Unterdorf. Das turbulente Wetter und mein Kopfcomputer machen gemeinsame Sache… Seit Tagen schaffe ich es nicht über zwei, drei Stunden "sturmfrei" heraus. Ausgebremst, einfach ausgebremst! Durch meinem Kopf ziehen Wolken, grau und drohend. "Ausgebremst" säuselt eine Stimme und mit jedem Glockenschlag wird die Stimme lauter, giftiger, hämischer. Ärger kriecht in mir hoch, er beginnt in den unruhigen schmerzenden Zehen, krabbelt die Beine hoch, erreicht den Bauch und klettert weiter und weiter hinauf! "Ausgebremst, ausgebremst" Das zerstörerische, spöttische Wort durchdingt die Kopfwolken, durchstreift mein Gemüt, will mich überfluten. Kurz bevor die Schlammlawine ihr Ziel erreicht, erhebt der Ärger die Stimme. Stopp. Solange gekämpft wird ist der Sieger nicht entschieden! Und während Ärger und Stimme miteinander raufen taucht in mir das Bild meines alten gehbehinderten Grossvaters auf. Ich sehe ihn, wie er grau und gebrechlich, den Schmerzen trotzend seinen Gehstock umklammert um uns stehend zu begrüssen. Das ist es! Genau. Ich schlage die Bettdecke zurück, krabble aus dem Bett und steige, mich sicherheitshalber am Geländer haltend, die Treppe runter. Irgendwo im Atelier hinten habe ich die alten Gehstöcke aufbewahrt. Tatsächlich, abgenutzt und verstaubt fristen sie in der hintersten Ecke ihr Dasein. Ich wähle den warmen, braunglänzenden Bambusgehstock aus, der, der so sanft in der Hand liegt. Mit meinem neuen Freund bewaffnet steige ich (ohne Geländer!) die Treppe hoch, lege meinen neuen Begleiter sachte neben mein Bett und schlafe ein als Sieger!

atelier schoepfung psychologische beratung irene haefeli - meyer